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Aconit, Natrium sulphuricum, Verschwommene Eindrücke – zwei Fallbeispiele

Von Frans Maan

Fall 1

Männlicher Patient, 1969 geboren, Verkäufer im Einzelhandel. Erstanamnese: November 2001.

Hauptbeschwerde: Starke Ängste, Nervosität

Die Beschwerden sind seit dem Sommer schlimmer geworden. Er ist in eine neue Stadt gezogen und hat eine neue Anstellung gefunden. Sein neuer Vorgesetzter ist ehemaliger Soldat. Er hat das Gefühl, nicht atmen zu können. Seine Speiseröhre zieht sich krampfartig zusammen und ihm wird übel. Sein Stuhlgang riecht übel und faulig. (Er leidet unter chronischem Wurmbefall). Körperlich ist er angespannt und nervös. An den Wochenenden und in Gesellschaft wird es schlimmer. Schlimmer, wenn er im Bus oder mit dem Auto fährt. Dann hat er das Gefühl, weglaufen zu müssen. Er fühlt sich eingesperrt, als wäre er separat von allen anderen.

Entpersönlicht. Steif und panisch. Deutliche Angst vor dem Tod.

Im letzten Jahr hat sich auch sein Rücken steif angefühlt, links neben der Wirbelsäule, bis hoch zum Schulterblatt. Th5 ist am meisten betroffen. Wunde und brennende Schmerzen, die sich bis zur Lunge ausdehnen. Schmerz < Nässe und Kälte.

Im Alter von neun Jahren hatte er nach einem Urlaub in den Alpen eine heftige Fiebererkrankung gehabt. Hohes Fieber und Wahnideen, vor allem abends und nachts. In seinen Halluzinationen konnte er damals keine Entfernungen mehr abschätzen und sah Menschenmassen und Überflutungen. Er war in andere Dimensionen gefallen. Schwarze Löcher. Wachte schreiend auf. „Ich sterbe, ich sterbe.“ Seine Eltern versuchten ihn zu beruhigen, aber er fürchtete sich vor dem Einschlafen. Er musste zur Beobachtung ins Krankenhaus. Seit dieser Zeit hat er Ängste und Albträume. Er hat z. B. Angst, dass seine Mutter sich in einen Dämon verwandelt (sie hatte PMS und wurde ab und zu aggressiv); Angst, vom Wind aufgesaugt zu werden. Manchmal sah er aber auch schöne Bilder, z. B. eine alte Eiche, die auf einer Anhöhe steht.

Zuhause ließen ihn seine Eltern oft allein. In der Oberstufe hatte er häufig Panikattacken und wurde hypochondrisch. In der späten Pubertät rebellierte er dann, besetzte Häuser, demonstrierte gegen Atomwaffen etc., aber er war nicht wirklich politisch engagiert. Hat sich in Städten noch nie wohlgefühlt, bevorzugt die Ruhe auf dem Land. Depressionen und Suizidgedanken, viele Bilder vom Selbstmord, oft einsam.

Vor sechs Jahren ging eine Beziehung zu Bruch, damals ging er ins Ausland um eine Tischlerlehre zu machen. Seine Freundin war schwanger von ihm und fühlte sich im Stich gelassen. Sie gab ihm die Schuld und drei Jahre lang durfte er seinen neugeborenen Sohn nicht sehen. Die Schuldzuweisungen wirkten sich stark auf sein Selbstbewusstsein aus, er fühlte sich machtlos und wütend. Er war einsam.

Schlaf ist gut.

Er treibt gerne Sport und geht Klettern in den Bergen.

Körperlich schlimmer im Winter.

Verlangen: Brot, reifer Käse, Tee, Paprikaschoten, Fleisch, Eier, holländische Spezialitäten, Hering.

Abneigung: Fett.

Schwitzt kaum; ist weder besonders durstlos oder durstig.

Zuvor hatte er eingenommen:

Nat-m: Depressionen >

Ipec: Übelkeit >

Cina: Würmer >

Staph: Ängste <

XXXX: eine Zeit lang euphorisch

Rhus-t: Rückenbeschwerden >, Ängste <

Alle Mittel wurden in Potenzen 30 – 200 verordnet; Einzelgabe.

Ich repertorisierte den Fall nicht, weil ich unter anderem bereits an XXXX gedacht hatte, bevor er es erwähnte. XXXX war Aconit und ich verordnete ihm eine Einzelgabe 10M.

Follow up:

Folgeordination nach vier Wochen:

Die Ängste sind weg; die Krämpfe viel besser, auch die Speiseröhre fühlt sich besser an. Die Atmung ist nicht mehr so verklemmt. Er hat keine bösen Vorahnungen in Bezug auf die Zukunft mehr. Fühlt sich innerlich ruhig und entspannt. Weniger angespannt, verspürt aber noch leichte brennende Schmerzen in der Nähe von Th5. Stuhlgang ist besser, keine Würmer mehr. Mehr Kraft. Kann seine Wut besser artikulieren. Einmal war er in dem Geschäft, in dem er arbeitet, in Ohnmacht gefallen. Hatte einige hellsichtige Träume. Fühlt sich allgemein besser.

Er war sehr zufrieden mit meiner Verschreibung von Aconit. Nicht nur, weil ihm das Mittel so gut half, sondern auch, weil er im letzten Sommer einen Traum hatte, in dem er in den Bergen, in denen er seine Ferien verbringen wollte, einer wichtigen Pflanze begegnete. Die erste Pflanze, die ihm dort ins Bewusstsein kam, war tatsächlich Aconit.

Acht Monate später:

Er hatte wegen eines leichten Rückfalls auf eigene Initiative noch einmal Aconit 200 eingenommen und es half recht gut. Auf meinen Vorschlag hin nahm er noch einmal eine 10M ein, was sehr gut half. Zusätzlich möchte ich hier anmerken, dass der Patient mir anvertraute, er sei ja wahrscheinlich von Geburt an ein Aconit-Fall, weil er während der Geburt fast an seiner Nabelschnur erstickt wäre.

Der Grund, warum ich diesen Fall hier teilen möchte, sind meine Eindrücke von diesem Patienten, die neben den offensichtlichen Beschwerden wichtig waren. Während der Erstanamnese machte der Mann einen sanftmütigen, ja fast nachgiebigen Eindruck. Aber nur fast, er war nachgiebig bis zu einem gewissen Punkt. Ähnlich wie Pulsatilla, aber mit mehr ‚Substanz‘. Er wählte seine Worte bewusst, damit er mir seine Symptome so klar und deutlich wie möglich berichten konnte. Er sprach gleichmäßig, ein wenig langsam und etwas umständlich. Er war auf keinen Fall unbedacht und direkt. Er machte den Eindruck eines introvertierten Menschen, der beschlossen hatte, dass er Hilfe brauche und sich deswegen öffnet. Gleichzeitig merkte ich, dass er wachsam war und mich aufmerksam verfolgte um zu sehen, ob ich ihn auf irgendeine Art und Weise zurückweisen würde. Ich musste behutsam vorgehen, damit er sich so weit wie möglich öffnen konnte. Man konnte seine Verletzlichkeit und Empfindlichkeit förmlich spüren, wenn man ihn ansah. Ab und zu schaute er mich mit großen Augen an um zu sehen, ob ich seiner Erzählung aufmerksam folgte.

Dieser Eindruck zeigt sehr schön die ‚Konzentrationsschwierigkeiten‘, die ‚Schüchternheit und Verlegenheit‘ und möglicherweise auch das ‚Misstrauen‘ von Aconit in einem sehr wahrscheinlich ‚konstitutionellen Fall‘ (was auch immer der Begriff ‚konstitutionell‘ heißen mag).

 

Fall 2

Männlicher Patient, 1963 geboren. Erstanamnese im Jahr 1994.

In diesem Fall gibt es keine Hauptbeschwerde. Der Mann kommt zu mir um herauszufinden, ob die Homöopathie ganz allgemein seinen Gesundheitszustand verbessern kann.

Seine Geschichte werde ich hier in der Reihenfolge niederschreiben, in der der Patient berichtete. Es ist etwas durcheinander.

Seit Januar 1993 nimmt er Leponex (ein antipsychotisches Medikament) und muss deswegen oft schlafen. Von 1990 bis 1993 nahm er Imipramin (ein Antidepressivum). Der Grund dafür waren seine ‚Wahnideen‘. Als die Symptome begannen, arbeitete er für das Justizministerium und er fühlte sich von der Polizei beobachtet. Er glaubte, dass sie ihn von den Häusern seiner Nachbarn aus observieren. Er dachte, man würde ihn verdächtigen, Dokumente gestohlen zu haben und die Luftwaffe würde seinen IQ messen. Er hatte Wirtschaftslehre studiert, das Studium aber abgebrochen. In seiner Jugend hatte es Vorfälle gegeben, weswegen er misstrauisch war und Schuldgefühle hatte. Seit 1989 befindet er sich in psychiatrischer Behandlung.

Im Allgemeinen fühlt er sich abends schlechter. Er geht spät schlafen und wacht spät auf. Einmal hatte er das Gefühl, in seinem Schlafzimmer seien noch andere Leute. Er hat sich schon Arsen gegen Ratten gekauft. Er hat Schwierigkeiten mit der Konzentration und seine ‚Handlungen stimmen nicht mit den Gedanken überein‘. Als er etwa 20 Jahre alt war, dachte er, dass mit seinem Kopf etwas nicht stimmt, weil er viele Probleme mit seinen Abschlussprüfungen hatte. Aktuell hat er eine Struktur in seinem Leben; er hört immer noch Stimmen und Gedanken in seinem Kopf und benötigt ein Abführmittel, damit er einmal am Tag Stuhlgang haben kann.

Er mag indisches Essen, gut Gewürztes, Süßes, Schokolade, Eiskrem und hat Durst. Er mag den Frühling und den Herbst, Musik und Wälder. Er hatte noch nie eine intime Beziehung, er hat gern seine Freiheit. Er schläft gut und immer auf dem Rücken. In seinen Träumen wird er oft verfolgt. Als er 18 war, träumte er einmal, in einem Sarg zu schlafen. Zweimal hat er schon versucht, sich umzubringen (vor einen Zug werfen). Seit er Leponex nimmt hat er Speichelfluss im Schlaf. Er kaut an den Fingernägeln (immer). Als Kind hatte er immer Angst, dass seine Eltern sterben könnten. Sein Vater war Offizier bei der Marine. Vor etwa zehn Jahren masturbierte er regelmäßig und viel. Arbeit ist in seiner Familie ein wichtiges Thema. Ihm ist es schon immer schwer gefallen, seine Wut auszudrücken und als Kind hatte er Angst vor Einbrechern und vor der Dunkelheit. Er hatte Prüfungsangst, aktuell fragt er sich oft, ob er das Richtige tut. Sein Kopf fühlt sich leer an.

Die Erstanamnese war also ganz offensichtlich durcheinander und unvollständig. Ich wollte ihn im Gespräch nicht drängen, weil er sehr fragil zu sein schien. Er tat sein Möglichstes um alle Fragen vorsichtig zu beantworten. Das Thema Schuld schien wichtig zu sein.

Nach einer Gabe Kalium bromatum (C30) wurde er weniger hastig und er konnte sich etwas besser konzentrieren. Allgemein fühlte er sich wärmer. Er hatte weiterhin paranoide Träume und hörte Stimmen. Außerdem berichtete er von kurzen manischen Episoden und einem Zwang, beim Tennis immer gewinnen zu wollen. Seit vielen Jahren leidet er unter Durchfall und muss 6-8 Mal am Tag auf Toilette (widersprüchlich zu dem, was er im ersten Gespräch erzählte).

Im Laufe eines halben Jahres nahm er zweimal Kalium bromatum und jedes Mal berichtete er, dass er sich innerlich ruhiger fühle. Einmal haben wir es mit Bromium versucht, aber ohne Erfolg. Danach fühlte er sich eine Zeit lang wie gefangen.

Sechs Jahre später kommt er wieder.

Er erzählt, dass er dazu neigt, Entscheidungen aufzuschieben und oft bis 11 Uhr im Bett liegt.

Verlangen Hering (2), Salz und alles, was oben schon erwähnt wurde.

Abneigung Essig und Fett.

Wenn er Bier trinkt bekommt er Albträume, z. B. dass er von Krokodilen oder Löwen gefressen wird. Allgemein geht es ihm besser, wenn er unter Leuten ist. Er hört immer noch Stimmen und ist manchmal noch paranoid. Der Durchfall hat sich nicht verändert. Das Nägelkauen ist unverändert. Konzentrationsschwierigkeiten.

Der Durchfall ist morgens schlimmer und er muss direkt nach dem Aufstehen auf Toilette. Sein Stuhl stinkt oft nach faulen Eiern.

Analyse:

Dieses Mal schaute ich im Repertorium nach: ‚Rektum – Diarrhoe – Aufstehen – nach – agg.‘ und die Rubrik direkt darunter: ‚und beim Umherlaufen‘. (Nach den Anweisungen Hahnemanns). Natrium sulphuricum ist in beiden Rubriken fettgedruckt. Für mich war das aber nur ein Hinweis. Nachdem ich aber Übereinstimmungen zwischen den allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen und unserer Materia Medica gefunden hatte (siehe ‚Homeopathy in Reflexive Perspective‘), wurde die Mittelwahl wahrscheinlicher. Ich vermutete (ganz theoretisch), dass das ‚Paranoide‘ in die ‚möglicherweise feindseligen‘ Spalten und Reihen des Periodensystems passte: Spalten 8 und 16 und Reihe 6. Und möglicherweise zu den ‚verletzlichen‘ Spalten und Reihen: Spalten 2, 4 und 12 und Reihe 2. Da der Sulphur-Anteil von Nat-s. in Spalte 16 steht, verstand ich das als eine eher verschwommene Bestätigung der Symptome. Auch andere Aspekte des Falls passten zu Nat-s und ich verordnete das Mittel in 1M, Einzelgabe.

Follow up:

Zwei Monate später: Der Durchfall wurde zuerst noch schlimmer, verschwand dann aber ganz, womit er sehr zufrieden ist. Er konnte sein Leben besser organisieren und begann als Ehrenamtlicher zu arbeiten. Ganz wichtig war, dass er keine Albträume mehr hatte. Auch keine Wahnvorstellungen und keine Paranoia mehr.

Als der Durchfall sechs Monate später wieder in leichter Form zurückkam, nahm er noch einmal Nat-s. Auf Anraten seines Psychiaters nahm er weiterhin Leponex ein, was bisher den Wahnideen aber nicht geholfen hatte.

Aktuell – fast ein Jahr später – geht es ihm immer noch gut, ohne Albträume und ohne Wahnvorstellungen.

Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob man aus den uns bekannten Gemütssymptomen der Arzneimittelbilder psychiatrische ‚Diagnosen‘ ableiten oder übertragen kann.

*********************************************

Kategorie: Mittel

Schlüsselwörter: Ängste, Nervosität, Aconit, Wahnvorstellungen, Paranoia, Natrium sulphuricum 

http://www.interhomeopathy.org/fuzzy_impressions_two_cases

Aconit, Natrium sulphuricum, Verschwommene Eindrücke – zwei Fallbeispiele

Von Frans Maan

Fall 1

Männlicher Patient, 1969 geboren, Verkäufer im Einzelhandel. Erstanamnese: November 2001.

Hauptbeschwerde: Starke Ängste, Nervosität

Die Beschwerden sind seit dem Sommer schlimmer geworden. Er ist in eine neue Stadt gezogen und hat eine neue Anstellung gefunden. Sein neuer Vorgesetzter ist ehemaliger Soldat. Er hat das Gefühl, nicht atmen zu können. Seine Speiseröhre zieht sich krampfartig zusammen und ihm wird übel. Sein Stuhlgang riecht übel und faulig. (Er leidet unter chronischem Wurmbefall). Körperlich ist er angespannt und nervös. An den Wochenenden und in Gesellschaft wird es schlimmer. Schlimmer, wenn er im Bus oder mit dem Auto fährt. Dann hat er das Gefühl, weglaufen zu müssen. Er fühlt sich eingesperrt, als wäre er separat von allen anderen.

Entpersönlicht. Steif und panisch. Deutliche Angst vor dem Tod.

Im letzten Jahr hat sich auch sein Rücken steif angefühlt, links neben der Wirbelsäule, bis hoch zum Schulterblatt. Th5 ist am meisten betroffen. Wunde und brennende Schmerzen, die sich bis zur Lunge ausdehnen. Schmerz < Nässe und Kälte.

Im Alter von neun Jahren hatte er nach einem Urlaub in den Alpen eine heftige Fiebererkrankung gehabt. Hohes Fieber und Wahnideen, vor allem abends und nachts. In seinen Halluzinationen konnte er damals keine Entfernungen mehr abschätzen und sah Menschenmassen und Überflutungen. Er war in andere Dimensionen gefallen. Schwarze Löcher. Wachte schreiend auf. „Ich sterbe, ich sterbe.“ Seine Eltern versuchten ihn zu beruhigen, aber er fürchtete sich vor dem Einschlafen. Er musste zur Beobachtung ins Krankenhaus. Seit dieser Zeit hat er Ängste und Albträume. Er hat z. B. Angst, dass seine Mutter sich in einen Dämon verwandelt (sie hatte PMS und wurde ab und zu aggressiv); Angst, vom Wind aufgesaugt zu werden. Manchmal sah er aber auch schöne Bilder, z. B. eine alte Eiche, die auf einer Anhöhe steht.

Zuhause ließen ihn seine Eltern oft allein. In der Oberstufe hatte er häufig Panikattacken und wurde hypochondrisch. In der späten Pubertät rebellierte er dann, besetzte Häuser, demonstrierte gegen Atomwaffen etc., aber er war nicht wirklich politisch engagiert. Hat sich in Städten noch nie wohlgefühlt, bevorzugt die Ruhe auf dem Land. Depressionen und Suizidgedanken, viele Bilder vom Selbstmord, oft einsam.

Vor sechs Jahren ging eine Beziehung zu Bruch, damals ging er ins Ausland um eine Tischlerlehre zu machen. Seine Freundin war schwanger von ihm und fühlte sich im Stich gelassen. Sie gab ihm die Schuld und drei Jahre lang durfte er seinen neugeborenen Sohn nicht sehen. Die Schuldzuweisungen wirkten sich stark auf sein Selbstbewusstsein aus, er fühlte sich machtlos und wütend. Er war einsam.

Schlaf ist gut.

Er treibt gerne Sport und geht Klettern in den Bergen.

Körperlich schlimmer im Winter.

Verlangen: Brot, reifer Käse, Tee, Paprikaschoten, Fleisch, Eier, holländische Spezialitäten, Hering.

Abneigung: Fett.

Schwitzt kaum; ist weder besonders durstlos oder durstig.

Zuvor hatte er eingenommen:

Nat-m: Depressionen >

Ipec: Übelkeit >

Cina: Würmer >

Staph: Ängste <

XXXX: eine Zeit lang euphorisch

Rhus-t: Rückenbeschwerden >, Ängste <

Alle Mittel wurden in Potenzen 30 – 200 verordnet; Einzelgabe.

Ich repertorisierte den Fall nicht, weil ich unter anderem bereits an XXXX gedacht hatte, bevor er es erwähnte. XXXX war Aconit und ich verordnete ihm eine Einzelgabe 10M.

Follow up:

Folgeordination nach vier Wochen:

Die Ängste sind weg; die Krämpfe viel besser, auch die Speiseröhre fühlt sich besser an. Die Atmung ist nicht mehr so verklemmt. Er hat keine bösen Vorahnungen in Bezug auf die Zukunft mehr. Fühlt sich innerlich ruhig und entspannt. Weniger angespannt, verspürt aber noch leichte brennende Schmerzen in der Nähe von Th5. Stuhlgang ist besser, keine Würmer mehr. Mehr Kraft. Kann seine Wut besser artikulieren. Einmal war er in dem Geschäft, in dem er arbeitet, in Ohnmacht gefallen. Hatte einige hellsichtige Träume. Fühlt sich allgemein besser.

Er war sehr zufrieden mit meiner Verschreibung von Aconit. Nicht nur, weil ihm das Mittel so gut half, sondern auch, weil er im letzten Sommer einen Traum hatte, in dem er in den Bergen, in denen er seine Ferien verbringen wollte, einer wichtigen Pflanze begegnete. Die erste Pflanze, die ihm dort ins Bewusstsein kam, war tatsächlich Aconit.

Acht Monate später:

Er hatte wegen eines leichten Rückfalls auf eigene Initiative noch einmal Aconit 200 eingenommen und es half recht gut. Auf meinen Vorschlag hin nahm er noch einmal eine 10M ein, was sehr gut half. Zusätzlich möchte ich hier anmerken, dass der Patient mir anvertraute, er sei ja wahrscheinlich von Geburt an ein Aconit-Fall, weil er während der Geburt fast an seiner Nabelschnur erstickt wäre.

Der Grund, warum ich diesen Fall hier teilen möchte, sind meine Eindrücke von diesem Patienten, die neben den offensichtlichen Beschwerden wichtig waren. Während der Erstanamnese machte der Mann einen sanftmütigen, ja fast nachgiebigen Eindruck. Aber nur fast, er war nachgiebig bis zu einem gewissen Punkt. Ähnlich wie Pulsatilla, aber mit mehr ‚Substanz‘. Er wählte seine Worte bewusst, damit er mir seine Symptome so klar und deutlich wie möglich berichten konnte. Er sprach gleichmäßig, ein wenig langsam und etwas umständlich. Er war auf keinen Fall unbedacht und direkt. Er machte den Eindruck eines introvertierten Menschen, der beschlossen hatte, dass er Hilfe brauche und sich deswegen öffnet. Gleichzeitig merkte ich, dass er wachsam war und mich aufmerksam verfolgte um zu sehen, ob ich ihn auf irgendeine Art und Weise zurückweisen würde. Ich musste behutsam vorgehen, damit er sich so weit wie möglich öffnen konnte. Man konnte seine Verletzlichkeit und Empfindlichkeit förmlich spüren, wenn man ihn ansah. Ab und zu schaute er mich mit großen Augen an um zu sehen, ob ich seiner Erzählung aufmerksam folgte.

Dieser Eindruck zeigt sehr schön die ‚Konzentrationsschwierigkeiten‘, die ‚Schüchternheit und Verlegenheit‘ und möglicherweise auch das ‚Misstrauen‘ von Aconit in einem sehr wahrscheinlich ‚konstitutionellen Fall‘ (was auch immer der Begriff ‚konstitutionell‘ heißen mag).

 

Fall 2

Männlicher Patient, 1963 geboren. Erstanamnese im Jahr 1994.

In diesem Fall gibt es keine Hauptbeschwerde. Der Mann kommt zu mir um herauszufinden, ob die Homöopathie ganz allgemein seinen Gesundheitszustand verbessern kann.

Seine Geschichte werde ich hier in der Reihenfolge niederschreiben, in der der Patient berichtete. Es ist etwas durcheinander.

Seit Januar 1993 nimmt er Leponex (ein antipsychotisches Medikament) und muss deswegen oft schlafen. Von 1990 bis 1993 nahm er Imipramin (ein Antidepressivum). Der Grund dafür waren seine ‚Wahnideen‘. Als die Symptome begannen, arbeitete er für das Justizministerium und er fühlte sich von der Polizei beobachtet. Er glaubte, dass sie ihn von den Häusern seiner Nachbarn aus observieren. Er dachte, man würde ihn verdächtigen, Dokumente gestohlen zu haben und die Luftwaffe würde seinen IQ messen. Er hatte Wirtschaftslehre studiert, das Studium aber abgebrochen. In seiner Jugend hatte es Vorfälle gegeben, weswegen er misstrauisch war und Schuldgefühle hatte. Seit 1989 befindet er sich in psychiatrischer Behandlung.

Im Allgemeinen fühlt er sich abends schlechter. Er geht spät schlafen und wacht spät auf. Einmal hatte er das Gefühl, in seinem Schlafzimmer seien noch andere Leute. Er hat sich schon Arsen gegen Ratten gekauft. Er hat Schwierigkeiten mit der Konzentration und seine ‚Handlungen stimmen nicht mit den Gedanken überein‘. Als er etwa 20 Jahre alt war, dachte er, dass mit seinem Kopf etwas nicht stimmt, weil er viele Probleme mit seinen Abschlussprüfungen hatte. Aktuell hat er eine Struktur in seinem Leben; er hört immer noch Stimmen und Gedanken in seinem Kopf und benötigt ein Abführmittel, damit er einmal am Tag Stuhlgang haben kann.

Er mag indisches Essen, gut Gewürztes, Süßes, Schokolade, Eiskrem und hat Durst. Er mag den Frühling und den Herbst, Musik und Wälder. Er hatte noch nie eine intime Beziehung, er hat gern seine Freiheit. Er schläft gut und immer auf dem Rücken. In seinen Träumen wird er oft verfolgt. Als er 18 war, träumte er einmal, in einem Sarg zu schlafen. Zweimal hat er schon versucht, sich umzubringen (vor einen Zug werfen). Seit er Leponex nimmt hat er Speichelfluss im Schlaf. Er kaut an den Fingernägeln (immer). Als Kind hatte er immer Angst, dass seine Eltern sterben könnten. Sein Vater war Offizier bei der Marine. Vor etwa zehn Jahren masturbierte er regelmäßig und viel. Arbeit ist in seiner Familie ein wichtiges Thema. Ihm ist es schon immer schwer gefallen, seine Wut auszudrücken und als Kind hatte er Angst vor Einbrechern und vor der Dunkelheit. Er hatte Prüfungsangst, aktuell fragt er sich oft, ob er das Richtige tut. Sein Kopf fühlt sich leer an.

Die Erstanamnese war also ganz offensichtlich durcheinander und unvollständig. Ich wollte ihn im Gespräch nicht drängen, weil er sehr fragil zu sein schien. Er tat sein Möglichstes um alle Fragen vorsichtig zu beantworten. Das Thema Schuld schien wichtig zu sein.

Nach einer Gabe Kalium bromatum (C30) wurde er weniger hastig und er konnte sich etwas besser konzentrieren. Allgemein fühlte er sich wärmer. Er hatte weiterhin paranoide Träume und hörte Stimmen. Außerdem berichtete er von kurzen manischen Episoden und einem Zwang, beim Tennis immer gewinnen zu wollen. Seit vielen Jahren leidet er unter Durchfall und muss 6-8 Mal am Tag auf Toilette (widersprüchlich zu dem, was er im ersten Gespräch erzählte).

Im Laufe eines halben Jahres nahm er zweimal Kalium bromatum und jedes Mal berichtete er, dass er sich innerlich ruhiger fühle. Einmal haben wir es mit Bromium versucht, aber ohne Erfolg. Danach fühlte er sich eine Zeit lang wie gefangen.

Sechs Jahre später kommt er wieder.

Er erzählt, dass er dazu neigt, Entscheidungen aufzuschieben und oft bis 11 Uhr im Bett liegt.

Verlangen Hering (2), Salz und alles, was oben schon erwähnt wurde.

Abneigung Essig und Fett.

Wenn er Bier trinkt bekommt er Albträume, z. B. dass er von Krokodilen oder Löwen gefressen wird. Allgemein geht es ihm besser, wenn er unter Leuten ist. Er hört immer noch Stimmen und ist manchmal noch paranoid. Der Durchfall hat sich nicht verändert. Das Nägelkauen ist unverändert. Konzentrationsschwierigkeiten.

Der Durchfall ist morgens schlimmer und er muss direkt nach dem Aufstehen auf Toilette. Sein Stuhl stinkt oft nach faulen Eiern.

Analyse:

Dieses Mal schaute ich im Repertorium nach: ‚Rektum – Diarrhoe – Aufstehen – nach – agg.‘ und die Rubrik direkt darunter: ‚und beim Umherlaufen‘. (Nach den Anweisungen Hahnemanns). Natrium sulphuricum ist in beiden Rubriken fettgedruckt. Für mich war das aber nur ein Hinweis. Nachdem ich aber Übereinstimmungen zwischen den allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen und unserer Materia Medica gefunden hatte (siehe ‚Homeopathy in Reflexive Perspective‘), wurde die Mittelwahl wahrscheinlicher. Ich vermutete (ganz theoretisch), dass das ‚Paranoide‘ in die ‚möglicherweise feindseligen‘ Spalten und Reihen des Periodensystems passte: Spalten 8 und 16 und Reihe 6. Und möglicherweise zu den ‚verletzlichen‘ Spalten und Reihen: Spalten 2, 4 und 12 und Reihe 2. Da der Sulphur-Anteil von Nat-s. in Spalte 16 steht, verstand ich das als eine eher verschwommene Bestätigung der Symptome. Auch andere Aspekte des Falls passten zu Nat-s und ich verordnete das Mittel in 1M, Einzelgabe.

Follow up:

Zwei Monate später: Der Durchfall wurde zuerst noch schlimmer, verschwand dann aber ganz, womit er sehr zufrieden ist. Er konnte sein Leben besser organisieren und begann als Ehrenamtlicher zu arbeiten. Ganz wichtig war, dass er keine Albträume mehr hatte. Auch keine Wahnvorstellungen und keine Paranoia mehr.

Als der Durchfall sechs Monate später wieder in leichter Form zurückkam, nahm er noch einmal Nat-s. Auf Anraten seines Psychiaters nahm er weiterhin Leponex ein, was bisher den Wahnideen aber nicht geholfen hatte.

Aktuell – fast ein Jahr später – geht es ihm immer noch gut, ohne Albträume und ohne Wahnvorstellungen.

Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob man aus den uns bekannten Gemütssymptomen der Arzneimittelbilder psychiatrische ‚Diagnosen‘ ableiten oder übertragen kann.

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Kategorie: Mittel

Schlüsselwörter: Ängste, Nervosität, Aconit, Wahnvorstellungen, Paranoia, Natrium sulphuricum 

http://www.interhomeopathy.org/fuzzy_impressions_two_cases



Spektrum der Homöopathie, die Hefte


Kommentare






Top-Kommentare

Neueste Kommentare zuerst anzeigen
Peter

vor 7 Jahren
Natrium sulphuricum und Wahn
In der Materia Medica findet man unter Nat-s folgendes: "Geisteskrankheit. Wahnsinn - periodisch/durch Kopfverletzung/anfallweise)" und Verschlimmerung durch Alkohol. Es muss ja nicht unbedingt eine Kopfverletzung eine Ursache gewesen sein. Ein Trauma bei der Geburt hätte schon gereicht. weiterlesen ...
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