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Myrrhe, das kostbare Geschenk zur Heilung von Leiden.

Vier Fälle

von Enna Stallinga

 
Die Bäume Commiphora myrrha und Boswellia sacra gehören zur Familie der Burceraceae (Balsambaumgewächse, Gattung der Sapindales /Seifenbaumgewächse). Beide Bäume produzieren aromatische Harze, wie sie uns als biblischer Weihrauch (Olibanum) und als Myrrhe bekannt sind. Diese Harze waren sehr  kostbar und wurden daher dem Jesuskind als Geschenke dargebracht. Myrrhe wurde als Symbol des Leidens geschenkt. Um die Zeit von Christi Geburt war Myrrhe dreimal so teuer wie Weihrauch, aber die Nachfrage nach Myrrhe war fünf Mal größer. [1]
Die meisten alten Texte über Medizin enthalten Hinweise über den Gebrauch von Weihrauch und Myrrhe um etwa viertausend vor Christus. Die Bäume wuchsen damals in großer Zahl im südlichen Arabien, im Jemen und Oman, auf meist kalkhaltigen Böden und in intensiver Hitze. Sie waren fast die einzigen Pflanzen, die unter solchen Bedingungen wachsen konnten und ihr genauer Standort wurde geheim gehalten. Die Harze wurden mit Kamelen 3000-4000 Kilometer weit durch die Wüste transportiert. Um 300 vor Christus wurden jährlich mehr als 3000 Tonnen exportiert, hauptsächlich nach Ägypten, Syrien, Palästina, Griechenland und in  das Römische Reich.
Weihrauch und Myrrhe wurden bei Begräbnissen verwendet, um die Toten zu ehren, um Könige und Propheten zu salben (Myrrhe), für die Einbalsamierung der Verstorbenen (Myrrhe) und für die Herstellung von Arzneimitteln und Parfüms. Die Harze wurden durch sorgfältige Schnitte in die Rinde geerntet, wobei sich langsam tränenförmige Tropfen bildeten.
Myrrhe bedeutet bitter und ist vom arabischen Wort „Murr“ abgeleitet. Myrrhe entwickelt beim Verbrennen einen schweren Duft. Der Begriff  Incense oder frankincense (Weihrauch) stammt vom Altfranzösischen „franc“, was rein bedeutet, und von „incensum“, was anfeuern oder anzünden heißt.
Zweihundertfünfzig Arten von Commiphora sind dokumentiert, die meisten von ihnen haben Dornen. In den Beschreibungen zur medizinischen Verwendung von Myrrhe im Laufe der Jahrhunderte wird sie als Allheilmittel und Wundermittel dargestellt, das alles heilen kann: Frostbeulen, Mund-Infektionen, Erkältungen, Schilddrüsenerkrankungen, Lungenerkrankungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen, Wunden, Hämorrhoiden, Menstruationsbeschwerden, Uterusprolaps, Unfruchtbarkeit, Geschwüre und rheumatische Erkrankungen.
 
Ähnlichkeiten zwischen Myrrhe und Weihrauch
 

Weihrauch - ©Jessie/PIXELIO
Meiner Erfahrung nach passen Myrrhe und Weihrauch zu Menschen, die edle Vorsätze haben. Sie geben gerne und helfen anderen, haben aber Schwierigkeiten, etwas für sich selbst anzunehmen. Sie sind sensibel und doch stark, sie sind Menschen der Tat. Ihre wichtigste Eigenschaft ist ihre Empfindsamkeit anderen gegenüber, sie spüren genau, was bei anderen los ist. Ihr Problem ist jedoch, dass sie dazu neigen, den Kontakt mit sich selbst zu verlieren.
Die heilende Wirkung der beiden Mittel (abgesehen von anderen heilenden Qualitäten) ist, dass die Verbindung mit den eigenen Gedanken und Wünschen stärker entwickelt wird, was zur Folge hat, dass man nicht mehr ausschließlich auf die Bedürfnisse des anderen reagiert. Sie sind Mediatoren, Friedensstifter und setzen sich für Harmonie in ihrer Umgebung ein. Sie haben ein starkes Verantwortungsbewusstsein und wollen alles perfekt machen. Um ihre  hohen Ansprüche an sich selbst zu erfüllen, müssten sie fast Heilige sein. Sie sind sich aber dessen nicht bewusst, da sie das Gefühl haben, dass alles, was sie tun, noch nicht gut genug ist. Sie sind ehrgeizig in dem Sinne, dass sie versuchen zu beweisen, wie gut sie sind. Darunter liegen jedoch enorme Schuldgefühle, die sie zu meiden versuchen, so gut sie können.


Myrrhe - ©Iris Kämmle/PIXELIO

Das zentrale Thema lautet: Trennung und Tod. Irgendwann haben sie zu sehr gelitten und haben diesen Schmerz verdrängt. Ihr ständiges Geben entspringt dem Versuch, diesen Schmerz zu vermeiden, ihn nicht mehr fühlen zu müssen. Der Tod kann ein Thema in der aktuellen Familie sein oder ein Thema der Vorfahren.


 

Die Unterschiede

Das Grundgefühl der Menschen, die Olibanum brauchen, ist hell und fröhlich. Sie bringen Licht und bestehen darauf, „ dass alles hell und froh sein sollte“. Laut Jan Scholten gehört Olibanum zu Stadium 10 und Myrrhe zu Stadium 13.

Myrrhe-Menschen haben die Tendenz sich zu entziehen. Sie sind mehr in Kontakt mit der Dunkelheit, mit ihrem Schatten, aber sie versuchen, dies zu umgehen, indem sie Gutes tun, da der Schatten für sie mit starken Ängsten verbunden ist: Angst, verurteilt zu werden, unausgesprochener Verrat, besonders Verrat in der Gruppe (einschließlich der Familie), der sie vertrauen. Ihre Devise ist: „Alles muss gut sein.“ Es ist das Judas Thema. Judas als Verräter oder als Erleuchteter? Vor allem in der Gruppe haben sie Schwierigkeiten, zu sich selbst zu stehen und neigen dazu sich zurückzuziehen.

„Es darf nicht dunkel sein.“ Für Myrrhe ist die Dunkelheit spürbar, greifbar. Die Myrrhe-Thematik ist oft verbunden mit Gewalt: Krieg, Selbstmord, Unfall, Ertrinken. Bittere Tränen unerlöster Trauer. Unterdrückter Ärger zeigt sich noch eindeutiger bei Myrrhe als bei Weihrauch.

Es ist das Thema der biblischen Schuld, der Versuch, „Gutes“ zu tun, wie in der Bibel, auf einer fast heiligen Ebene. Myrrhe passt zu Menschen, die echt und ehrlich versuchen, im Geist der Bibel zu leben. Es sind nicht Menschen, denen es um die religiöse Form geht und die einer bestimmten Kirche angehören. Sie kommen meist aus einer Familie, wo ein Elternteil oder sogar beide sehr streng waren und haben diese Strenge internalisiert und für sich selbst übernommen.

 
Gemeinsamkeiten
 

Weihrauch und Myrrhe sind vielleicht die beiden großen Heilmittel für die oben erwähnten biblischen/religiösen Themen: Heiligkeit, Schuld und Tod.

Ich habe Myrrhe in den letzten zwei oder drei Jahren oft verschrieben. Seine Heilwirkung ist überzeugend. Myrrhe ist das Mittel, dem ich neben Weihrauch am meisten vertraue. Mit Weihrauch kenne ich mich jetzt noch besser aus als 2008 (siehe Interhomeopathy 2008).

Schlüsselwörter der Burseaceae: Heiligkeit, Reinheit, Schuldgefühle, Verantwortung, Tod, Trennung, Sensibilität für die Atmosphäre, Verrat, Dunkelheit, Burnout, Hellsichtigkeit.

 
Fälle


Frau A., die seit Februar 2000 bei mir in Behandlung ist, kommt in die Sprechstunde. Das erste, was sie erwähnt ist, dass ihr Körper seit der Sonnenfinsternis vom 11.8.1999 völlig aus dem Gleichgewicht sei ist. Ihre Menstruation hat sich seither verschoben. Sie hat intensive Träume von Gewalt und prämenstruelle Stimmungsschwankungen; sie wird dann misslaunig  und traurig. Sie hat Angst, Krebs oder Herzbeschwerden bekommen und zu sterben. Sie ist in einer Ausbildung, die gut läuft, und erhält viele Job-Angebote, die sie aber nicht akzeptieren kann: „Ich bin nicht gut genug.“ Als sie fünf Jahre alt war, wäre sie fast ertrunken. Sie hatte sehr strenge Eltern. In ihrer Jugend war ihr eine junge Familie behilflich gewesen, die beim Abschied vor ihren Augen getötet wurde. Sie fühlt sich schuldig und verlassen: „Ich mache mir immer Vorwürfe und fürchte, andere zu verletzen. Ich habe Angst, Fehler zu machen. Ich war meinen Eltern nie gut genug.“ Als Kind war sie hellsichtig. Sie fürchtet sich vor kleinen Räumen.

Körperlich: Kopfschmerzen, vom Nacken ausgehend, Sinusitis, häufig Schnupfen, Kopfgrippe. Risse an den Fingern.
Verlangen: Brot, Gewürze, Früchte, Pikantes.
Abneigung: Süßes, Kaffee.

In der Vergangenheit wurden ihr erfolgreich Calcium muriaticum, Thuja und Camphora verordnet. Nach der Einnahme von Myrrhe sagte sie spontan, dass die Neu-Interpretation der Judas-Geschichte sie tief berührt habe; alles klärte sich für sie durch die Finsternis des Judas. Nachdem sie den Text ausführlich gelesen hatte, äußerte sie: „War Judas ein Verräter oder ein Heiliger?“ Sie weinte viel. Ihre Panikgefühle gingen allmählich zurück. Eine Auseinandersetzung mit ihrer Mutter reinigte die Luft zwischen den beiden. Sie hat das Gefühl, allmählich körperlich wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Sie begann zu arbeiten  und es geht ihr seither gut.

*************************************************************************
Frau B. leidet unter einem Burnout und dem Gefühl, emotional völlig aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Sie weint oft, weil sie unter Panikattacken leidet. „Ich bin so traurig, ich kenne mich selbst nicht mehr. Ich zwinge mich viel zu machen, ich habe eine enorme Willenskraft. Ich bin sehr angespannt, ich stelle hohe Anforderungen an mich selbst und versuche andere glücklich zu machen.“ Sie nimmt seit Jahren Antidepressiva. Sie war ein fröhliches Kind und Legasthenikerin. Sie hat eine sehr dominante Mutter. Ihre Großmutter starb, als sie acht Jahre alt war. Sie musste viel für ihre Mutter tun, hatte aber immer das Gefühl, dass sie es nicht gut genug machte. Ihr Vater hatte nicht das geringste Interesse an ihr. „Wie sehr ich mich auch anstrengte, nie konnte ich die Erwartungen meiner Eltern erfüllen.“ Sie äußert laut ihre Meinung, wenn sie irgendwo Ungerechtigkeiten wahrnimmt. Sie ist eine ausgezeichnete Lehrerin und findet, dass sie im Umgang mit den Kindern ganz sie selbst kann.

Körperliche Untersuchung: Hals-Infektionen als ein Kind, Muskelkrämpfe besonders im Nacken, besser durch Bewegung. Rezidivierende Blaseninfektionen.
Verlangen: fast alles, besonders Früchte.

Sie erhielt Weihrauch als erstes Mittel, auf das sie gut reagierte. (Ich kannte Myrrhe damals noch nicht). Sie arbeitete ihre Depressionen auf, war weniger angespannt und konnte ihre Medikamente reduzieren. Sie brauchte noch einige Antidepressiva, um ihr inneres  Gleichgewicht zu erhalten. Nach der Einnahme von Myrrhe fühlt sie sich viel besser. Sie ist ruhiger und stärker geworden; sie wagt jetzt zu sagen, was sie denkt. Die Wut auf ihre Familie ist fast verschwunden. Sie kann zuhause sein, ohne sich gezwungen zu fühlen, etwas tun zu müssen. Es geht ihr sehr gut.  

*************************************************************************
Frau C. ist eine freundliche Frau, die als Teamleiterin in einer Kindertagesstätte arbeitet. Sie stammt aus einer wohlhabenden Familie des Nahen Ostens. Sie ist körperlich erschöpft, angespannt, und fühlt sich durch alles gereizt. Sie musste daher vor einem halben Jahr aufhören zu arbeiten. Ihre Beschwerden begannen mit hohem Fieber und Muskelschmerzen, und vor kurzem hatte sie wieder die Grippe. Sie hat viele Traumata im Krieg erlitten und musste aus ihrem Land fliehen. Als sie acht Jahre alt war, starb ihr Bruder an Krebs. Ihr Vater starb während des Krieges, als sie 13 war. Früher war sie fröhlich und offen, aber jetzt hat sie das Gefühl, dass sie sich selbst verloren hat. Sie kann nicht so mit ihren Kindern umgehen, wie sie gerne würde und ist sehr traurig darüber. Sie will überhaupt niemanden mehr sehen. Sie leidet unter Schwindel und Herzrasen. Sie beschreibt sich als flexibel, angenehm im Umgang und niemals wütend. Bis vor kurzem hatte sie Angst vor Auseinandersetzungen. Sie ist immer bereit, anderen zu helfen und gibt gern: „Immer der andere zuerst!“ (sagt sie spontan). Sie ist eine Perfektionistin. Sie träumt häufig von ihrem toten Bruder und auch von ihrer Mutter, die vor ein paar Jahren gestorben ist und die sie sehr vermisst.
Ihre größte Angst ist, ihre Kinder und ihren Mann zu verlieren. Sie hat eine große Angst zu ertrinken und Höhenangst.  

Körperliche Untersuchung: Pneumonie mit 6 Jahren, Bronchitis, Asthma, rezidivierende Erkältungen, Hausstaubmilbenallergie, Sinusitis, häufige Kopfschmerzen, zieht sich leicht Prellungen zu, Verdauungsprobleme (Schmerzen, Krämpfe und Verstopfung), Uterus-Polypen, Schmerzen in den Handgelenken, Wadenkrämpfe, Muskelschmerzen in den Oberarmen.
Verlangen: Gemüse + +; Süßigkeiten (prämenstruell). Kaffee  verschlimmert +.

Nach Myrrhe fühlt sie sich bald stärker und freier. Das Sprechen fällt ihr jetzt leichter, sie ist weniger emotional und allgemein ruhiger. Sie hat wieder angefangen zu arbeiten, weil es ihr körperlich so viel besser geht. Sie geht anders mit ihren Kindern um. Sie kann die Vergangenheit und die Dinge, die geschehen sind, nun akzeptieren. Es ist ihr klarer geworden, was sie will und was nicht. Sie fühlt sich weniger allein, stellt weniger Ansprüche an sich selbst und hat mehr Selbstachtung. In Konferenzen hat sie keine Angst mehr, unangebrachte  Bemerkungen zu machen.

*************************************************************************
Herr D, 80 Jahre alt, kommt wegen Schlaflosigkeit. Er sagt, dass er lieber krank wäre, als dieses Problem zu haben. Sein Bruder leidet an den gleichen Beschwerden, sogar noch schlimmer als er. Sobald er sich hinlegt, wird er unruhig und es wird ihm heiß, sodass er sich aufdecken muss. Er steigt aus dem Bett, weil er mehr Platz um sich herum braucht. Wenn es sehr dunkel ist, bekommt er Panik, eine Folge des Krieges. Zwei Jahre lang, zwischen seinem 15. und17. Lebensjahre mussten er und sein Bruder in einem Loch im Heu schlafen, in völliger Dunkelheit, mit einem Heuballen vor dem Eingang, aus Angst vor Repressalien durch die Deutschen nach einer Sabotage.

Seine Schlafstörungen begannen schon vor einigen Jahren. Er konnte nicht in einem kleinen Zimmer oder in absoluter Dunkelheit schlafen. Er hat wenig Energie und nimmt Beruhigungsmittel. Er ist immer beschäftigt; manchmal ist er auch zu hastig und versucht, alles auf einmal tun. Er ist scheu und sensibel. Nach Aussage seiner Frau ist er immer „gut“ und hilfsbereit. Er ist einfühlsam, manchmal sogar zu sehr. Er schimpft oft auf sich selbst, vor allem weil er so ängstlich ist. Er hat einen Sohn durch einen Unfall verloren; der Sohn fiel ins Wasser und ertrank. Er hat Schwierigkeiten in Gruppensituationen. Er wuchs auf einem Bauernhof auf und seine Eltern behielten ihn oft von der Schule zuhause, weil er auf der Farm helfen musste. Er fiel dadurch mit seinen Schulleistungen zurück und glaubte dumm zu sein. Als er mir das erzählt, spüre ich seine Traurigkeit.

Körperliche Untersuchung: zweimal Lungenentzündung, Blasenpolypen, Herzschrittmacher wegen Herzrhythmusstörungen, Aphten, zieht sich leicht Prellungen zu, warm, schwitzt leicht.
Verlangen: er mag die meisten Lebensmittel, Obst + + +, Fisch, eher salzig als süß.
Nach Myrrhe verbessert sich sein Schlaf, seine Energie steigt und er wirkt viel fröhlicher. Drei Monate später ist er nicht mehr so besessen vom Krieg. Laut Aussage seiner Frau ist er viel ruhiger geworden. Sie schlafen wieder beieinander und er ist wieder motiviert zu neuen Unternehmungen.

*************************************************************************
 
Literatur:
- Harry van der Zee: Homöopathie bei Krieg und kollektivem Trauma, Homöopathie-Kongress 2008
- Olibanum, Interhomeopathy März 2009
 
[1] Watt, Martin, Sellar, Wanda: Weihrauch und Myrrhe. Anwendung in Geschichte und Gegenwart, 1996, ISBN 90-6229-053-1

Foto: Die Heiligen Drei Könige. Detail aus „Maria mit dem Kinde, von Engeln umgeben“, Mosaik einer italienisch-byzantinischen Werkstatt, Ravenna um526 n. Chr. , sogenannter „Meister von San Apollinare“.
 
Kategorie: Fälle
Stichwörter: Leid, Schuld, Tod, Gewalt, Verrat, Heiligkeit, Gutes tun, Trennung, Olibanum, Myrrhe

Mittel: Myrrha, Olibanum


 

Myrrhe, das kostbare Geschenk zur Heilung von Leiden.

Vier Fälle

von Enna Stallinga

 
Die Bäume Commiphora myrrha und Boswellia sacra gehören zur Familie der Burceraceae (Balsambaumgewächse, Gattung der Sapindales /Seifenbaumgewächse). Beide Bäume produzieren aromatische Harze, wie sie uns als biblischer Weihrauch (Olibanum) und als Myrrhe bekannt sind. Diese Harze waren sehr  kostbar und wurden daher dem Jesuskind als Geschenke dargebracht. Myrrhe wurde als Symbol des Leidens geschenkt. Um die Zeit von Christi Geburt war Myrrhe dreimal so teuer wie Weihrauch, aber die Nachfrage nach Myrrhe war fünf Mal größer. [1]
Die meisten alten Texte über Medizin enthalten Hinweise über den Gebrauch von Weihrauch und Myrrhe um etwa viertausend vor Christus. Die Bäume wuchsen damals in großer Zahl im südlichen Arabien, im Jemen und Oman, auf meist kalkhaltigen Böden und in intensiver Hitze. Sie waren fast die einzigen Pflanzen, die unter solchen Bedingungen wachsen konnten und ihr genauer Standort wurde geheim gehalten. Die Harze wurden mit Kamelen 3000-4000 Kilometer weit durch die Wüste transportiert. Um 300 vor Christus wurden jährlich mehr als 3000 Tonnen exportiert, hauptsächlich nach Ägypten, Syrien, Palästina, Griechenland und in  das Römische Reich.
Weihrauch und Myrrhe wurden bei Begräbnissen verwendet, um die Toten zu ehren, um Könige und Propheten zu salben (Myrrhe), für die Einbalsamierung der Verstorbenen (Myrrhe) und für die Herstellung von Arzneimitteln und Parfüms. Die Harze wurden durch sorgfältige Schnitte in die Rinde geerntet, wobei sich langsam tränenförmige Tropfen bildeten.
Myrrhe bedeutet bitter und ist vom arabischen Wort „Murr“ abgeleitet. Myrrhe entwickelt beim Verbrennen einen schweren Duft. Der Begriff  Incense oder frankincense (Weihrauch) stammt vom Altfranzösischen „franc“, was rein bedeutet, und von „incensum“, was anfeuern oder anzünden heißt.
Zweihundertfünfzig Arten von Commiphora sind dokumentiert, die meisten von ihnen haben Dornen. In den Beschreibungen zur medizinischen Verwendung von Myrrhe im Laufe der Jahrhunderte wird sie als Allheilmittel und Wundermittel dargestellt, das alles heilen kann: Frostbeulen, Mund-Infektionen, Erkältungen, Schilddrüsenerkrankungen, Lungenerkrankungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen, Wunden, Hämorrhoiden, Menstruationsbeschwerden, Uterusprolaps, Unfruchtbarkeit, Geschwüre und rheumatische Erkrankungen.
 
Ähnlichkeiten zwischen Myrrhe und Weihrauch
 

Weihrauch - ©Jessie/PIXELIO
Meiner Erfahrung nach passen Myrrhe und Weihrauch zu Menschen, die edle Vorsätze haben. Sie geben gerne und helfen anderen, haben aber Schwierigkeiten, etwas für sich selbst anzunehmen. Sie sind sensibel und doch stark, sie sind Menschen der Tat. Ihre wichtigste Eigenschaft ist ihre Empfindsamkeit anderen gegenüber, sie spüren genau, was bei anderen los ist. Ihr Problem ist jedoch, dass sie dazu neigen, den Kontakt mit sich selbst zu verlieren.
Die heilende Wirkung der beiden Mittel (abgesehen von anderen heilenden Qualitäten) ist, dass die Verbindung mit den eigenen Gedanken und Wünschen stärker entwickelt wird, was zur Folge hat, dass man nicht mehr ausschließlich auf die Bedürfnisse des anderen reagiert. Sie sind Mediatoren, Friedensstifter und setzen sich für Harmonie in ihrer Umgebung ein. Sie haben ein starkes Verantwortungsbewusstsein und wollen alles perfekt machen. Um ihre  hohen Ansprüche an sich selbst zu erfüllen, müssten sie fast Heilige sein. Sie sind sich aber dessen nicht bewusst, da sie das Gefühl haben, dass alles, was sie tun, noch nicht gut genug ist. Sie sind ehrgeizig in dem Sinne, dass sie versuchen zu beweisen, wie gut sie sind. Darunter liegen jedoch enorme Schuldgefühle, die sie zu meiden versuchen, so gut sie können.


Myrrhe - ©Iris Kämmle/PIXELIO

Das zentrale Thema lautet: Trennung und Tod. Irgendwann haben sie zu sehr gelitten und haben diesen Schmerz verdrängt. Ihr ständiges Geben entspringt dem Versuch, diesen Schmerz zu vermeiden, ihn nicht mehr fühlen zu müssen. Der Tod kann ein Thema in der aktuellen Familie sein oder ein Thema der Vorfahren.


 

Die Unterschiede

Das Grundgefühl der Menschen, die Olibanum brauchen, ist hell und fröhlich. Sie bringen Licht und bestehen darauf, „ dass alles hell und froh sein sollte“. Laut Jan Scholten gehört Olibanum zu Stadium 10 und Myrrhe zu Stadium 13.

Myrrhe-Menschen haben die Tendenz sich zu entziehen. Sie sind mehr in Kontakt mit der Dunkelheit, mit ihrem Schatten, aber sie versuchen, dies zu umgehen, indem sie Gutes tun, da der Schatten für sie mit starken Ängsten verbunden ist: Angst, verurteilt zu werden, unausgesprochener Verrat, besonders Verrat in der Gruppe (einschließlich der Familie), der sie vertrauen. Ihre Devise ist: „Alles muss gut sein.“ Es ist das Judas Thema. Judas als Verräter oder als Erleuchteter? Vor allem in der Gruppe haben sie Schwierigkeiten, zu sich selbst zu stehen und neigen dazu sich zurückzuziehen.

„Es darf nicht dunkel sein.“ Für Myrrhe ist die Dunkelheit spürbar, greifbar. Die Myrrhe-Thematik ist oft verbunden mit Gewalt: Krieg, Selbstmord, Unfall, Ertrinken. Bittere Tränen unerlöster Trauer. Unterdrückter Ärger zeigt sich noch eindeutiger bei Myrrhe als bei Weihrauch.

Es ist das Thema der biblischen Schuld, der Versuch, „Gutes“ zu tun, wie in der Bibel, auf einer fast heiligen Ebene. Myrrhe passt zu Menschen, die echt und ehrlich versuchen, im Geist der Bibel zu leben. Es sind nicht Menschen, denen es um die religiöse Form geht und die einer bestimmten Kirche angehören. Sie kommen meist aus einer Familie, wo ein Elternteil oder sogar beide sehr streng waren und haben diese Strenge internalisiert und für sich selbst übernommen.

 
Gemeinsamkeiten
 

Weihrauch und Myrrhe sind vielleicht die beiden großen Heilmittel für die oben erwähnten biblischen/religiösen Themen: Heiligkeit, Schuld und Tod.

Ich habe Myrrhe in den letzten zwei oder drei Jahren oft verschrieben. Seine Heilwirkung ist überzeugend. Myrrhe ist das Mittel, dem ich neben Weihrauch am meisten vertraue. Mit Weihrauch kenne ich mich jetzt noch besser aus als 2008 (siehe Interhomeopathy 2008).

Schlüsselwörter der Burseaceae: Heiligkeit, Reinheit, Schuldgefühle, Verantwortung, Tod, Trennung, Sensibilität für die Atmosphäre, Verrat, Dunkelheit, Burnout, Hellsichtigkeit.

 
Fälle


Frau A., die seit Februar 2000 bei mir in Behandlung ist, kommt in die Sprechstunde. Das erste, was sie erwähnt ist, dass ihr Körper seit der Sonnenfinsternis vom 11.8.1999 völlig aus dem Gleichgewicht sei ist. Ihre Menstruation hat sich seither verschoben. Sie hat intensive Träume von Gewalt und prämenstruelle Stimmungsschwankungen; sie wird dann misslaunig  und traurig. Sie hat Angst, Krebs oder Herzbeschwerden bekommen und zu sterben. Sie ist in einer Ausbildung, die gut läuft, und erhält viele Job-Angebote, die sie aber nicht akzeptieren kann: „Ich bin nicht gut genug.“ Als sie fünf Jahre alt war, wäre sie fast ertrunken. Sie hatte sehr strenge Eltern. In ihrer Jugend war ihr eine junge Familie behilflich gewesen, die beim Abschied vor ihren Augen getötet wurde. Sie fühlt sich schuldig und verlassen: „Ich mache mir immer Vorwürfe und fürchte, andere zu verletzen. Ich habe Angst, Fehler zu machen. Ich war meinen Eltern nie gut genug.“ Als Kind war sie hellsichtig. Sie fürchtet sich vor kleinen Räumen.

Körperlich: Kopfschmerzen, vom Nacken ausgehend, Sinusitis, häufig Schnupfen, Kopfgrippe. Risse an den Fingern.
Verlangen: Brot, Gewürze, Früchte, Pikantes.
Abneigung: Süßes, Kaffee.

In der Vergangenheit wurden ihr erfolgreich Calcium muriaticum, Thuja und Camphora verordnet. Nach der Einnahme von Myrrhe sagte sie spontan, dass die Neu-Interpretation der Judas-Geschichte sie tief berührt habe; alles klärte sich für sie durch die Finsternis des Judas. Nachdem sie den Text ausführlich gelesen hatte, äußerte sie: „War Judas ein Verräter oder ein Heiliger?“ Sie weinte viel. Ihre Panikgefühle gingen allmählich zurück. Eine Auseinandersetzung mit ihrer Mutter reinigte die Luft zwischen den beiden. Sie hat das Gefühl, allmählich körperlich wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Sie begann zu arbeiten  und es geht ihr seither gut.

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Frau B. leidet unter einem Burnout und dem Gefühl, emotional völlig aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Sie weint oft, weil sie unter Panikattacken leidet. „Ich bin so traurig, ich kenne mich selbst nicht mehr. Ich zwinge mich viel zu machen, ich habe eine enorme Willenskraft. Ich bin sehr angespannt, ich stelle hohe Anforderungen an mich selbst und versuche andere glücklich zu machen.“ Sie nimmt seit Jahren Antidepressiva. Sie war ein fröhliches Kind und Legasthenikerin. Sie hat eine sehr dominante Mutter. Ihre Großmutter starb, als sie acht Jahre alt war. Sie musste viel für ihre Mutter tun, hatte aber immer das Gefühl, dass sie es nicht gut genug machte. Ihr Vater hatte nicht das geringste Interesse an ihr. „Wie sehr ich mich auch anstrengte, nie konnte ich die Erwartungen meiner Eltern erfüllen.“ Sie äußert laut ihre Meinung, wenn sie irgendwo Ungerechtigkeiten wahrnimmt. Sie ist eine ausgezeichnete Lehrerin und findet, dass sie im Umgang mit den Kindern ganz sie selbst kann.

Körperliche Untersuchung: Hals-Infektionen als ein Kind, Muskelkrämpfe besonders im Nacken, besser durch Bewegung. Rezidivierende Blaseninfektionen.
Verlangen: fast alles, besonders Früchte.

Sie erhielt Weihrauch als erstes Mittel, auf das sie gut reagierte. (Ich kannte Myrrhe damals noch nicht). Sie arbeitete ihre Depressionen auf, war weniger angespannt und konnte ihre Medikamente reduzieren. Sie brauchte noch einige Antidepressiva, um ihr inneres  Gleichgewicht zu erhalten. Nach der Einnahme von Myrrhe fühlt sie sich viel besser. Sie ist ruhiger und stärker geworden; sie wagt jetzt zu sagen, was sie denkt. Die Wut auf ihre Familie ist fast verschwunden. Sie kann zuhause sein, ohne sich gezwungen zu fühlen, etwas tun zu müssen. Es geht ihr sehr gut.  

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Frau C. ist eine freundliche Frau, die als Teamleiterin in einer Kindertagesstätte arbeitet. Sie stammt aus einer wohlhabenden Familie des Nahen Ostens. Sie ist körperlich erschöpft, angespannt, und fühlt sich durch alles gereizt. Sie musste daher vor einem halben Jahr aufhören zu arbeiten. Ihre Beschwerden begannen mit hohem Fieber und Muskelschmerzen, und vor kurzem hatte sie wieder die Grippe. Sie hat viele Traumata im Krieg erlitten und musste aus ihrem Land fliehen. Als sie acht Jahre alt war, starb ihr Bruder an Krebs. Ihr Vater starb während des Krieges, als sie 13 war. Früher war sie fröhlich und offen, aber jetzt hat sie das Gefühl, dass sie sich selbst verloren hat. Sie kann nicht so mit ihren Kindern umgehen, wie sie gerne würde und ist sehr traurig darüber. Sie will überhaupt niemanden mehr sehen. Sie leidet unter Schwindel und Herzrasen. Sie beschreibt sich als flexibel, angenehm im Umgang und niemals wütend. Bis vor kurzem hatte sie Angst vor Auseinandersetzungen. Sie ist immer bereit, anderen zu helfen und gibt gern: „Immer der andere zuerst!“ (sagt sie spontan). Sie ist eine Perfektionistin. Sie träumt häufig von ihrem toten Bruder und auch von ihrer Mutter, die vor ein paar Jahren gestorben ist und die sie sehr vermisst.
Ihre größte Angst ist, ihre Kinder und ihren Mann zu verlieren. Sie hat eine große Angst zu ertrinken und Höhenangst.  

Körperliche Untersuchung: Pneumonie mit 6 Jahren, Bronchitis, Asthma, rezidivierende Erkältungen, Hausstaubmilbenallergie, Sinusitis, häufige Kopfschmerzen, zieht sich leicht Prellungen zu, Verdauungsprobleme (Schmerzen, Krämpfe und Verstopfung), Uterus-Polypen, Schmerzen in den Handgelenken, Wadenkrämpfe, Muskelschmerzen in den Oberarmen.
Verlangen: Gemüse + +; Süßigkeiten (prämenstruell). Kaffee  verschlimmert +.

Nach Myrrhe fühlt sie sich bald stärker und freier. Das Sprechen fällt ihr jetzt leichter, sie ist weniger emotional und allgemein ruhiger. Sie hat wieder angefangen zu arbeiten, weil es ihr körperlich so viel besser geht. Sie geht anders mit ihren Kindern um. Sie kann die Vergangenheit und die Dinge, die geschehen sind, nun akzeptieren. Es ist ihr klarer geworden, was sie will und was nicht. Sie fühlt sich weniger allein, stellt weniger Ansprüche an sich selbst und hat mehr Selbstachtung. In Konferenzen hat sie keine Angst mehr, unangebrachte  Bemerkungen zu machen.

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Herr D, 80 Jahre alt, kommt wegen Schlaflosigkeit. Er sagt, dass er lieber krank wäre, als dieses Problem zu haben. Sein Bruder leidet an den gleichen Beschwerden, sogar noch schlimmer als er. Sobald er sich hinlegt, wird er unruhig und es wird ihm heiß, sodass er sich aufdecken muss. Er steigt aus dem Bett, weil er mehr Platz um sich herum braucht. Wenn es sehr dunkel ist, bekommt er Panik, eine Folge des Krieges. Zwei Jahre lang, zwischen seinem 15. und17. Lebensjahre mussten er und sein Bruder in einem Loch im Heu schlafen, in völliger Dunkelheit, mit einem Heuballen vor dem Eingang, aus Angst vor Repressalien durch die Deutschen nach einer Sabotage.

Seine Schlafstörungen begannen schon vor einigen Jahren. Er konnte nicht in einem kleinen Zimmer oder in absoluter Dunkelheit schlafen. Er hat wenig Energie und nimmt Beruhigungsmittel. Er ist immer beschäftigt; manchmal ist er auch zu hastig und versucht, alles auf einmal tun. Er ist scheu und sensibel. Nach Aussage seiner Frau ist er immer „gut“ und hilfsbereit. Er ist einfühlsam, manchmal sogar zu sehr. Er schimpft oft auf sich selbst, vor allem weil er so ängstlich ist. Er hat einen Sohn durch einen Unfall verloren; der Sohn fiel ins Wasser und ertrank. Er hat Schwierigkeiten in Gruppensituationen. Er wuchs auf einem Bauernhof auf und seine Eltern behielten ihn oft von der Schule zuhause, weil er auf der Farm helfen musste. Er fiel dadurch mit seinen Schulleistungen zurück und glaubte dumm zu sein. Als er mir das erzählt, spüre ich seine Traurigkeit.

Körperliche Untersuchung: zweimal Lungenentzündung, Blasenpolypen, Herzschrittmacher wegen Herzrhythmusstörungen, Aphten, zieht sich leicht Prellungen zu, warm, schwitzt leicht.
Verlangen: er mag die meisten Lebensmittel, Obst + + +, Fisch, eher salzig als süß.
Nach Myrrhe verbessert sich sein Schlaf, seine Energie steigt und er wirkt viel fröhlicher. Drei Monate später ist er nicht mehr so besessen vom Krieg. Laut Aussage seiner Frau ist er viel ruhiger geworden. Sie schlafen wieder beieinander und er ist wieder motiviert zu neuen Unternehmungen.

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Literatur:
- Harry van der Zee: Homöopathie bei Krieg und kollektivem Trauma, Homöopathie-Kongress 2008
- Olibanum, Interhomeopathy März 2009
 
[1] Watt, Martin, Sellar, Wanda: Weihrauch und Myrrhe. Anwendung in Geschichte und Gegenwart, 1996, ISBN 90-6229-053-1

Foto: Die Heiligen Drei Könige. Detail aus „Maria mit dem Kinde, von Engeln umgeben“, Mosaik einer italienisch-byzantinischen Werkstatt, Ravenna um526 n. Chr. , sogenannter „Meister von San Apollinare“.
 
Kategorie: Fälle
Stichwörter: Leid, Schuld, Tod, Gewalt, Verrat, Heiligkeit, Gutes tun, Trennung, Olibanum, Myrrhe

Mittel: Myrrha, Olibanum


 





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