EDITORIAL
Christa Gebhardt & Dr. Jürgen Hansel
Chefredaktion
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4. REIHE DES PERIODENSYSTEMS ¦ EISENSERIE
EDITORIAL
SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
Liebe Leserinnen und Leser,
die Leistungsgesellschaft, in der wir schon lange leben, hat
durch die Informationstechnologie neue Formen und Ausmaße
angenommen. Krakengleich dringen Beruf und Arbeit mit den
allgegenwärtigen Smartphones als Tentakeln immer tiefer in
unser Bewusstsein und in unser Privatleben vor. Wenn wir uns
mit Arbeit und Disziplin, Pflicht und Regeln total identifizieren,
befinden wir uns in der harten Wirklichkeit der Eisenserie. Hier
wird alles unter dem Aspekt von Leistung und Effektivität erlebt
und bewertet.
Das ist „der normale Wahnsinn des Alltags“, wie Ulrich Welte
schon im Titel seines umfassenden Beitrags über die 4. Reihe
des Periodensystems betont. Wie in seinem Buch zur Silberse-
rie stellt uns der Autor sämtliche Elemente der Eisenserie von
Kalium bis Krypton in verschiedenen Verbindungen an prägnan-
ten Fallbeispielen vor. Gleichzeitig erklärt er die Arbeit mit den
Stadien des Periodensystems nach Scholten sehr anschaulich
und verständlich.
Eine Reihe von Beiträgen zu den einzelnen Stadien und Ele-
menten ergänzt und vertieft diesen Übersichtsartikel. Dabei
werden auch die unterschiedlichen Schwerpunkte deutlich, die
Jan Scholten und Rajan Sankaran bei der homöopathischen
Anwendung des Periodensystems setzen. In der Schule des in-
dischen Homöopathen stehen bei der 4. Reihe die Themen von
Schutz und Sicherheit stärker im Mittelpunkt als bei Scholten.
Das sieht man besonders gut in Anne Schaddes Artikel über
Germanium und den Verlust von Sicherheit im Stadium 14 und
an Willi Neuholds Ausführungen zu Scandium, das sich noch in
einem frühen Stadium der Absicherung befindet.
Zwei Beiträge von Karim Adal und Jürgen Hansel mit Fallbei-
spielen zu erektiler Dysfunktion zeigen, wie sehr sich Menschen
auch im ganz intimen Bereich über Leistung definieren können.
Mit der in Stadium 5 besonders ausgeprägten Angst zu versagen
„ist Sex wie Arbeit“, sagt ein Vanadium-Patient. Im Fall von
Stadium 6 wird die Sexualität zu einer Herausforderung, die es
zu meistern gilt. In Adals Kasuistik ändert sich diese einseitige
Fixierung unter der homöopathischen Behandlung mit Chro-
mium metallicum grundlegend.
Die Metalle in der Mitte der 4. Reihe sind homöopathisch besser
bekannt als die bisher genannten, vor allem das Eisen als Leitele-
ment. Neben den typischen Merkmalen gibt es bei Mike Keszler
aber auch Beispiele zu seltenen Salzen wie Ferrum muriaticum
und silicatum. Und bei Wyka Feige lernen wir neben Cobaltum
nitricum auch Cobaltum muriaticum kennen. Der Tierarzt Geoff
Johnson präsentiert uns besondere Aspekte von Cuprum an
zwei Hunden. Und der Blick von Angelika Bolte und Jörg Wich-
mann auf Zincum metallicum erschließt uns neue Dimensionen
einer vertrauten Arznei. An einem Fallbeispiel stellen die beiden
Autoren das Modell des Periodensystems von Andreas Holling
vor, welches das Verständnis der Mineralien auf Empfindungen
stützt statt auf Themen.
Während sich die meisten Beiträge in dieser Ausgabe von SPEK-
TRUM auf die homöopathische Arbeit mit dem Periodensystem
stützen, geht Jeremy Sherr mit seiner Frau Camilla den traditi-
onellen Weg der Arzneimittelprüfung. Auf diese Weise haben
sie Symptome und Themen zu seltenen Arzneien der Eisenserie
wie Scandium, Gallium, Germanium und dem rätselhaften Kryp-
ton gesammelt. Franz Swoboda interessiert sich für das Span-
nungsfeld zwischen klassischer Materia Medica und moderner
Systematik der Elemente. Im Falle von Manganum gilt es dabei,
ein eher negatives Bild dieser Arznei bei Hahnemann mit den
positiven Aspekten bei Scholten zu versöhnen.
Der normale Wahnsinn der Leistungsgesellschaft mit den ty-
pischen Themen der Eisenserie ist aus homöopathischer Sicht
nicht auf die Arzneien dieser Reihe beschränkt. Es gibt Ent-
sprechungen dazu sowohl im Pflanzen- als auch im Tierreich.
So sieht Bhawisha Joshi Insekten, Spinnen, Krebstiere und bei
den Pflanzen die Malven-, Kürbis- und Kreuzblütlerartigen als
typische Vertreter der 4. Reihe.
In Jan Scholtens Pflanzentheorie hat dagegen die Klasse der
Fabanae ihren Themenschwerpunkt in der 4. Reihe des Perio-
densystems und aus dieser Klasse besonders die Subklasse der
Fabidae mit dem Pflanzencode 644 (die beiden Vieren stehen
jeweils für die 4. Reihe). Wie man bei Menschen, die zwar die
Themen der Eisenserie aufweisen, aber zu komplex für eine
mineralische Arznei sind, den Weg zu einer passenden Pflanzen-
arznei findet, zeigt Martin Jakob an vier Kasuistiken zu seltenen
Arzneipflanzen aus der Ordnung der Malpighiales (644.2XX).
An diesen Beispielen wird im Kontrast zu den anderen Artikeln
deutlich, um wie viel komplexer und schwieriger als das Perio-
densystem die Arbeit mit der Pflanzentheorie ist.
Mit dieser Ausgabe schreibt SPEKTRUM nicht nur pflichtgemäß
und mit eiserner Disziplin ein weiteres Kapitel seiner modernen
Materia Medica, sondern leistet auch effektive Arbeit zum Ver-
ständnis neuer methodischer Ansätze in der Homöopathie. Wir
hoffen, Sie finden keine Fehler.