SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
Rajan Sankaran ¦
Kasuistik
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EVIDENZ DER HOMÖOPATHIE
(Diese Frage habe ich früher häufiger gestellt, bis mir klar wurde,
dass das wahrscheinlich nicht der beste Weg ist, wenngleich er
oft direkt und zielführend wäre. Heute vermeide ich es im All-
gemeinen, diese Frage zu stellen. Wir sehen, dass die Patientin
zu Ebene 3 zurückkehrt. Das lässt uns die Erfahrungsebene der
Patientin in diesem Fall erkennen.)
Erzählen Sie mir von der Biopsie.
Es war schrecklich. Sie haben mir eine Nadel in den Nacken
gesteckt. Die Nadel hat mir Angst eingejagt. Dann haben sie
eine andere Nadel hineingesteckt. Sie haben mich bedrängt. Es
war dasselbe: Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nicht
antworten. Weil ich Angst hatte zu sterben.
(Die Empfindung in diesem Fall hat nichts mit dem Thema Opfer
– Angreifer zu tun, noch geht es um das Fehlen oder den Verlust
einer Struktur wie bei den Mineralen. Es ist eine spezifische
Pflanzen-Empfindung, nämlich das Gefühl, festzustecken und
sich nicht bewegen und herauskommen zu können.)
Hatten Sie je Probleme mit den Gelenken?
Ich hatte immer Schmerzen in den Kniegelenken.
Erzählen Sie mir davon.
Ich habe mir die Knie verbunden.
Was hat die Schmerzen gebessert oder verschlimmert?
Die Schmerzen waren stärker im Liegen und Hocken. Besser
beim Gehen und durch warme Anwendungen. Auch Nacken-
steife, die durch Hitze und Bewegung gebessert wurde, schlim-
mer im Liegen. Auch Schmerzen in Handgelenk und Fingern,
die sich durch Bewegung besserten. Die Finger werden steif.
Ich hatte auch Fehlgeburten.
Hatten Sie je Fieber mit Schüttelfrost?
Ich hatte Fieber mit Schüttelfrost während dieser Lebererkran-
kung. Das Fieber stieg hoch, und ich delirierte und hatte das
Gefühl, dass mich etwas festhält und etwas auf mich zukommt
oder dass etwas in mir auf mich zukommt. Etwas hält mich fest,
und es kommt auf mich zu!
Zu welcher Uhrzeit bekamen Sie Schüttelfrost?
18:30 bis 19:00 Uhr. Ich hatte auch Schmerzen in Genick und
Hinterkopf.
Welches Wetter bevorzugen Sie?
Ich mag die Regenzeit nicht.
Erzählen Sie mir von Ihrer Kindheit.
Ich war gesund. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Ich war
das jüngste Kind, und alles war wunderbar.
Gab es irgendeinen Vorfall, an den Sie sich erinnern?
Als ich in der 8. Klasse war, rief mich ein Lehrer allein in den
Klassenraum. Er hat nichts getan, aber ich bin nicht wieder
hingegangen.
Wovor hatten Sie Angst?
Davor, was er mir antun könnte. Er hätte mich anfassen oder
etwas tun können.
Was war das für ein Gefühl?
Niemand sollte mich anfassen. Auch heute noch kann ich es
nicht leiden, wenn mich auf dem Markt jemand anfasst oder
mich anschaut.
Was ist das für ein Gefühl?
Angst.
Was für Szenen oder Situationen erzeugen diese Angst?
Außereheliche Affären oder voreheliche Affären. Ich habe einen
Film gesehen mit einem Mann, der zwei Ehefrauen hatte. Dann
denke ich, was, wenn mein Mann mit einer anderen zusammen
wäre oder wenn ich eine Affäre mit einem anderen hätte, was
kann da passieren?
Was befürchten Sie, was passieren könnte?
Angst vor der Gesellschaft, den Menschen, mir selbst, dass das,
was man getan hat, falsch war. Es ist im Grunde nicht richtig.
Unsere Gesellschaft akzeptiert so etwas nicht. Dann ist man
ganz allein.
Erzählen Sie mir von dem Film, den Sie erwähnt haben.
Es geht im Grunde um eine Frau. Der Mann bringt seine Frau
um wegen Geld und hat dann eine Affäre, oder die Frau tut das.
Und was ist das für ein Gefühl?
Das Leben ist ruiniert: Der Mann oder die Frau sitzt dann wegen
Mordes hinter Gittern.
Wie ist es, hinter Gittern zu sitzen?
Unangenehm. Das ist das Ende. Was wird die Zukunft bringen?
Was wird die Zukunft bringen?
Er sitzt fest. Sein Leben ist zu Ende, wurde angehalten. Er kann
nichts tun. Er hat schon alles getan, was er tun konnte: Seine
Frau umgebracht, das Geld genommen und getan, was er
wollte.
Was ist schlimmer: zu sterben oder hinter Gittern zu sitzen?
Zu sterben, denn aus dem Gefängnis kann er immer noch
nach ein paar Jahren herauskommen. Und Sterben ist keine
Lösung.
(Hier haben wir einen anderen Vorfall: Sie beschreibt Filme, auf
die sie empfindlich reagiert. Sie hat Angst, ihr Mann könnte eine
außereheliche Affäre haben. Ihre Wahnidee ist, dass sie oder ihr
Mann als Mörder im Gefängnis landen könnten. Im Gefängnis
zu sitzen, läuft auf dasselbe hinaus, wie festzusitzen oder in
einer Situation festgehalten zu werden.)
Warum haben Menschen außereheliche Affären?
Vielleicht, um sich abzulenken, um von seiner Frau Aufmerk-
samkeit zu bekommen. Wenn der Mann zu einer anderen Frau
geht, wird seine Frau nur mit ihm zusammen sein wollen.
Warum tut eine Frau so etwas?
Im Grunde für Geld. Ich habe einen Film gesehen, in dem die
Schauspielerin aus einem gutsituierten Haus kam und doch eine
außereheliche Affäre hatte.
Wenn jemand in einer Situation steckt, in der er kein Geld
hat – was ist das für ein Gefühl?
Mein Gefühl ist, dass jeder ein gutes Leben hat und ausgehen
kann, nur ich nicht. Alle gehen aus, shoppen, essen.
Was ist das Gefühl dabei?
Dass ich gehandikapt bin.
(Hier kommt sie zum Ausgangspunkt zurück. Das heißt auch,
dass wir den Kreis der Fallaufnahme mehr oder weniger ge-
schlossen haben.)