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EDITORIAL

Christa Gebhardt & Dr. Jürgen Hansel

Chefredaktion

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EVIDENZ

EDITORIAL

SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE

Liebe Leserinnen und Leser,

vor 10 Jahren erschien die erste Ausgabe von SPEKTRUM DER

HOMÖOPATHIE. Seither haben wir von Ihnen immer wieder

große Zustimmung erfahren, und unsere Zeitschrift hat sich als

eine wichtige Quelle für die homöopathische Praxis etabliert.

Im gleichen Zeitraum wurde die Homöopathie allerdings zuneh-

mend in Frage gestellt. Mittlerweile ist es in der öffentlichen

Diskussion gang und gäbe, ihr jegliche Evidenz abzusprechen,

sie zu diffamieren und lächerlich zu machen. Man beruft sich

dabei gerne auf wissenschaftlich zweifelhafte und unlautere

Studien, wie sie im Beitrag der australischen Kollegin Jo Green-

land beschrieben werden. Mit unserer Jubiläumsausgabe wollen

wir deshalb als Diskussionshilfe für Sie den Stand der Forschung

und die Evidenzlage zusammenfassen.

Es ist ein verbreitetes Missverständnis, evidenzbasierte Medizin

(EBM) beruhe allein auf wissenschaftlichen Studien. Wie unser

Titelbild veranschaulicht, geht es bei einer evidenzbasierten Be-

handlungs-Entscheidung darum, die Erfahrungen, Erwartungen

und Präferenzen von PatientInnen, die klinische Expertise der

behandelnden ÄrztInnen und das Wissen aus Studien zu integ-

rieren. Eine über viele Jahre konstant hohe Zustimmungsrate in

der Bevölkerung spricht für die Präferenz vieler Menschen für die

Homöopathie. Die klinische Expertise wiederum hat SPEKTRUM

in den letzten Jahren an zahllosen Kasuistiken demonstriert.

Vier besonders eindrucksvolle Fallbeispiele von Rajan Sankaran,

Ulrike Schuller-Schreib, Franz Swoboda und Dinesh Chauhan

unterstreichen noch einmal auf dieser Ebene der Evidenz, dass

die Homöopathie auch bei schweren Pathologien, wie Autoim-

munhepatitis, Kardiomyopathie, multipler Sklerose oder systemi-

schem Lupus erythematodes, wirksam sein kann. Ulrich Welte

zeigt am Beispiel des Karpaltunnelsysndroms, wie man solche

Kasuisitiken in der Praxis dokumentieren und die klinische Ex-

pertise daraus in Beobachtungsstudien zusammenfassen kann.

Alle Bereiche von EBM deckt Heiner Frei mit seiner Arbeit zur

Behandlung des ADHS ab. Hier verbindet sich die aus Ängsten

vor den Nebenwirkungen von Ritalin resultierende Präferenz der

Patienten und ihrer Eltern mit der langjährigen Praxiserfahrung

eines Kinderarztes und den Ergebnissen einer viel beachteten

randomisierten Doppelblindstudie zu einer eindeutigen evidenz-

basierten Entscheidung für die homöopathische Therapie. Bei

dem HNO-Arzt Michael Schreiner sind es gar die Leitlinien der

zuständigen Fachgesellschaft, die in den meisten Fällen von

akuter Tonsillitis, Otitis media oder Sinusitis gegen die üblichen

Antibiotika sprechen und den Einsatz von Globuli erlauben.

Neben ADHS und Otitis media bei Kindern nennt Katharina

Gaertner in ihrem Beitrag über kontrollierte Studien zur in-

dividualisierten homöopathischen Behandlung noch weitere

Krankheitsbilder mit ausreichender Evidenz für einen effektiven,

sicheren und wirksamen Einsatz der Homöopathie in der Kran-

kenversorgung. Wer angesichts der Datenlage noch immer von

einem Placeboffekt spreche, könne – so Gaertner – die Daten

nicht lesen. Die Achillesferse der Homöopathie sind allerdings

nach wie vor die Hochpotenzen, die aus naturwissenschaftli-

cher Sicht einfach nicht wirken können. Um dieses Vorurteil,

den sogenannten Plausibilitäts-Bias, auszuhebeln, testet man

die Wirkung von Hochpotenzen an ausgefeilten experimen-

tellen Modellen aus Physik, Chemie und Biologie. Als Beispiel

für diese intensive homöopathische Grundlagenforschung gibt

uns Annekathrin Ücker einen Einblick in die Methodik und die

Ergebnisse von Experimenten an Pflanzen.

In der klinischen Forschung geht der Trend in der Homöopathie

wie auch in anderen Bereichen der Medizin in die Richtung von

Studiendesigns, die die Wirksamkeit therapeutischer Interventi-

onen unter möglichst realistischen Bedingungen untersuchen.

Weil randomisierte Doppelblindstudien zur Wirkung einer The-

rapie oft nur wenig Erkenntnis für die klinische Anwendung

liefern, favorisiert man heute eine vergleichende Wirksamkeits-

forschung mit dem Ziel, spezifische klinische Entscheidungen

für PatientInnen, aber auch für die Gesundheitspolitik zu er-

möglichen. Lesen Sie bitte dazu den Bericht über den Kongress

des Homeopathy Research Institute in London, auf dem diese

Entwicklung ausführlich erörtert wurde.

Wenn Sie sich durch unsere Artikel zu Evidenz und Forschung

in einer zum Teil schwierigen, ungewohnten Wissenschaftsspra-

che gearbeitet haben, wartet auf Sie eine These, die das alles

wieder in Frage zu stellen scheint. Für Jörg Wichmann kann

die Homöopathie als ganzheitliche und immaterielle Behand-

lungsmethode gar nicht nach den Maßstäben der naturwis-

senschaftlich-materialistischen Medizin beurteilt werden. Doch

auch wenn die geistartige Wirkung einer Arznei nicht gemessen

werden kann, bleiben genaue Beobachtung und gewissenhafte

Dokumentation die Basis homöopathischer Praxis und Forschung

und werden auch in Zukunft wesentliche Merkmale unserer

Zeitschrift und ihrer Autoren sein.