SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
Jonathan Hardy
¦ Lac humanum: Lac lupinum
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SUCHT ¦
ESSEN | HEROIN
wert und somit das Gefühl, richtig ernährt zu werden – nicht
nur physisch, sondern auch psychisch. Im ungesunden Zustand
empfindet der Mensch das Gegenteil: Er ist unbefriedigt, fühlt
sich leer und wertlos, ist sich seiner selbst nicht sicher und
erwartet zu versagen.
Solch eine tief sitzende Pathologie ist die beste Voraussetzung,
um süchtig zu werden – alles nur ein Versuch, der eigenen Rea-
lität zu entfliehen, um dieses tief verwurzelte innere Unbehagen
nicht fühlen zu müssen.
Emotionale Unreife:
Patienten, die ein Säugetiermittel brau-
chen, zeigen oft eine emotionale Unreife. Sie können sehr
empfindlich auf Tadel reagieren und verwenden Ausdrücke
wie „man behandelt mich wie ein kleines Kind“. Unter Stress
neigen sie zur emotionalen Regression, indem sie ein kindliches
Verhalten an den Tag legen und sich isolieren oder übermäßig
abhängig von anderen machen.
Sie können sich unzulänglich und inkompetent fühlen und un-
fähig, im Leben voranzukommen. In der Folge leiden sie unter
einem brüchigen Selbstwertgefühl und fühlen sich schnell kriti-
siert, herabgesetzt und von oben herab behandelt. Oft beklagen
sie sich, dass sie als Kind nie gelobt wurden; sie fühlten sich
abgelehnt und emotional allein gelassen.
Sie sind häufig gehemmt, schüchtern, erröten leicht, und ihr
Blick ist zu Boden gerichtet.
Beziehungen zu Eltern und Familie:
Ein weit verbreitetes
Thema in Säugetierfällen ist eine gestörte Beziehung zu einem
Elternteil, zu beiden Eltern oder zur ganzen Familie.
Die Patienten hatten als Kind oft eine schwache Mutterbindung,
fühlten sich „nicht richtig bemuttert“ oder mussten „für ihre
Mutter die Mutter spielen“.
Es können Probleme mit der Mutterbindung auftreten, und das
Wort „Bindung“ hört man in Säugetierfällen sehr häufig. Das
Fehlen einer tiefgehenden Beziehung zur Mutter drückt sich
nicht selten als eine Art Leere aus, die zumeist im Bauch verspürt
wird: ein Verlassenheitsgefühl, das körperlich in der Nabelregion
wahrgenommen wird.
Der Patient kann Angst vor einem Elternteil haben, das Gefühl,
dass seine Eltern „kalt“ waren oder dass er nie körperliche
Zuwendung in Gestalt von Berührungen erfahren hat.
Er sagt vielleicht, er habe sich nie als Teil der Familie gefühlt
oder er habe immer das Gefühl gehabt, adoptiert worden zu
sein. Er kann schon früh den starken Wunsch verspürt haben,
seine Familie zu verlassen, oder das Gefühl, „dass seine Familie
ohne ihn besser dran sei“.
Es kommt auch vor, dass diese Menschen ihren Mangel zu kom-
pensieren versuchen, indem sie sich an einen Elternteil klam-
mern. Andererseits hört man gelegentlich, dass die Eltern sich zu
stark an sie geklammert und sie mit ihrer Nähe erdrückt haben.
In allen Fällen wird deutlich, dass die gesamte Sphäre der Er-
ziehung und Fürsorge als nach irgendeiner Seite hin unausge-
wogen erlebt wurde.
Häufige Kindheitsberichte:
In Säugetierfällen hört man nicht
selten, dass die Kindheit unglücklich war, vor allem in Bezug
auf das Verhalten oder die geistige Gesundheit eines Elternteils
oder beider Eltern. Die Mutter kann in der Schwangerschaft
emotional gestört gewesen sein oder unter einer Wochenbett-
depression gelitten haben. Sie kann geisteskrank oder der Vater
Alkoholiker gewesen sein.
Häufig hört man, dass die Person den Mangel an angemessener
Fürsorge daheim durch eine starke Bindung an die Großmutter
kompensierte.
Fast immer hatte der Patient den Eindruck, eines seiner Ge-
schwister sei ihm vorgezogen worden.
Elternschaft:
Erwachsene, die ein Säugetiermittel brauchen,
haben oft sehr entschiedene Ansichten über die Elternschaft –
sie lieben ihre Kinder zu sehr. Sie können es übertreiben und sie
mit einer überfürsorglichen oder bedürftigen Haltung erdrücken.
Manchmal „bemuttern“ sie ihren Partner oder verlieren sich zu
sehr in der Mutterrolle.
In einigen Säugetierfällen jedoch manifestiert sich der Gegenpol:
Der Patient hat eine starke Abneigung gegen die Elternschaft.
FALLBEISPIEL 1: Frau, 40 Jahre, Hauptbeschwerden sind
Esssucht und Akne
Anamnese
Was ist das Problem, mit dem Sie zu mir kommen?
Ich habe zwei Hauptprobleme. Das eine ist meine Haut, und
das andere ist, dass ich keine Kontrolle über meine Essgewohn-
heiten habe.
Erzählen Sie mir bitte von Ihren Essgewohnheiten.
Ich habe einen ungeheuren Appetit. Ich würde das „Mund-
hunger“ nennen. Ständig muss ich etwas essen. Wenn ich zu
Hause bin, suche ich dauernd nach irgendeiner Kleinigkeit zu
essen. Vielleicht haben die Kinder ja irgendwelche Süßigkeiten
übrig gelassen? Ich muss einfach irgendetwas finden. Ich esse
die ganze Zeit. Für eine Frau habe ich, glaube ich, einen ziemlich
großen Appetit. Oft esse ich gar nicht so viel wie mein Mann,
aber ich esse viel mehr als andere Frauen, die ich kenne.
Gibt es eine Tages- oder Nachtzeit, zu der Sie besonders
hungrig sind?
Nein, eigentlich nicht. Das hängt davon ab, wie viel ich tagsüber
gegessen habe. Es gibt keine bestimmten Zeiten, zu denen ich
essen muss.
Haben Sie ein Verlangen nach bestimmten Speisen?
Nein. Eigentlich nicht.
Was passiert, wenn Sie nicht essen?
Ich werde ein bisschen reizbar, ich komme in „Hungerstim-
mung“, das weiß ich.
Können Sie diese Hungerstimmung beschreiben?
Ich bin einfach grantig. Kopfschmerzen bekomme ich nicht. Irgend-
wann ist dann der Punkt erreicht, wo ich denke, ich kann nichts
mehr tun, bis ich endlich etwas gegessen habe. Dann brauche ich
etwas zu essen. Das ist schon ein bisschen zwanghaft. Ich kann
einfach nichts tun, bis ich etwas gegessen habe. Manchmal bin
ich spät dran, ich muss die Kinder abholen und parke schon in der