SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE
Jonathan Hardy
¦ Lac humanum: Lac lupinum
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SUCHT ¦
ESSEN | HEROIN
ANALYSE
Säugetier-Themen
•
zwanghaftes Essen
•
fehlende Impulskontrolle
•
immer hungrig
•
„Mundhunger“
•
gestörte Beziehung zur Mutter
•
vertauschte Mutter-Tochter-Rollen
•
Mutter seelisch krank
•
von zu Hause vertrieben
•
Hass gegen die Mutter
•
ungeborgen
•
Angst zu Hause
Säugetier-Begriffe
zufrieden
Behaglichkeit
weich
Kommentar:
Sie nennt ihren Vater „einen typischen Papa –
weich“ – das ist sehr ungewöhnlich.
Wir können die Arzneigruppe eingrenzen, aber welches Säugetier
könnte es sein? Um diese Frage beantworten zu können, müssen
wir schauen, was in diesem Fall übrig bleibt, das heißt, welche
Daten, über die wir verfügen, spezifisch sind und nicht auf eine
allgemeinere Ebene verweisen, wie etwa Tierreich oder Säugetiere.
Was übrig bleibt, ist die eigentümliche Abneigung gegen Unor-
dentlichkeit. Es ist bemerkenswert, dass uns nahezu jeder Patient
etwas erzählen kann, was wir noch nie gehört haben, und ich
hatte vorher ganz sicher noch nie gehört, dass jemand seine Pickel
als unordentlich bezeichnet. Überdies zieht sich diese Abneigung
gegen Unordentlichkeit durch den ganzen Fall hindurch, denn dies
war eines der Dinge, die sie an ihrer Mutter am wenigsten mochte.
Die Abneigung gegen Unordentlichkeit ist das eigentümlichste und
charakteristischste Merkmal in ihrem Fall.
Es gibt eine ganze Reihe sehr guter Prüfungen von Lac huma-
num. Die Prüfung von Jacqueline Houghton und Elisabeth Hala-
han förderte das Thema Unordentlichkeit als Schatten-Symptom
zutage. In diesem Mittel gibt es eine Polarität, die sich sowohl
als Unfähigkeit, Ordnung zu halten, als auch als Abneigung
gegen Unordnung ausdrückt.
1
Verschreibung:
Lac humanum C 200, Einzeldosis
FOLLOW-UP NACH 5 WOCHEN:
Wie geht es Ihnen?
Mir ist einiges aufgefallen. Meine Pickel sind definitiv nicht (…)
ehrlich gesagt, sind sie fast schlimmer geworden. Der Appetit –
da habe ich auf jeden Fall gemerkt, dass mich das Essen weniger
interessiert. Ich meine, vorher habe ich, glaube ich, gesagt, dass
mein Essverhalten schon ein bisschen zwanghaft ist, aber jetzt
interessiert es mich definitiv weniger, und ich kann es liegen lassen
und muss nicht um des Essens willen essen. Das ist mir auf jeden
Fall aufgefallen. Auch Sachen, die ich früher genossen habe und
wo ich mich ein bisschen wie ein Schwein verhalten habe, die
brauche ich nicht mehr, und ich würde sagen, es geht mir rundum
echt besser. Ich bin einfach glücklicher. Ich glaube, das war’s. Noch
glücklicher wäre ich, wenn die Pickel weggehen!
Wie lange ist es her, dass Ihr Appetit so übermäßig war?
Wahrscheinlich seit meiner Kindheit, wenn ich ehrlich bin. Je-
denfalls schon sehr lange.
Und wie lange ist es her, dass Sie so glücklich waren?
Wahrscheinlich ähnlich lange. Ich weiß nicht, vielleicht zehn Jahre.
Kommentar:
Schon nach einigen Wochen hatte sich ihre Haut
bereits deutlich erholt und blieb konstant gut. Die Nachbeobach-
tung durch Follow ups dauerte ein Jahr. Es gab eine einmalige
Wiederholung des Mittels.
Kommentar:
Das ist die Art Reaktion, die wir bei einem tief
wirkenden Mittel bekommen: Veränderungen, die den Patienten
viele Jahre zurückversetzen. Mit der Zeit besserte sich auch ihre
Haut deutlich, und es geht ihr nach wie vor gut.
FALLBEISPIEL 2: Frau, 41 Jahre, Hauptbeschwerde Hero-
insucht
Anamnese
Was ist das Problem, mit dem Sie zu mir kommen?
Ich nehme seit über zehn Jahren Heroin. Ich versuche, damit
aufzuhören, aber ich habe so einen heftigen Drang danach.
Können Sie den Drang beschreiben?
Ich will einfach – mir fällt kein anderes Wort ein als „zufrieden
sein“. Das ist überwältigend (…) Ich habe Angst davor, aber
ich will mich einfach wohlfühlen. Heroin gibt mir ein wohliges
Gefühl, ich fühle mich warm und zufrieden, ich denke nicht
mehr nach, oder ich denke über schöne Dinge nach. Ich kann
es nur so beschreiben.
Was wäre das Gegenteil von warm, wohlig und zufrieden?
Ich werde dann furchtbar nervös, schrecklich unruhig. Es scheint
viel mit Wärme zu tun zu haben, denn je kälter mir wird, umso
stärker wird der Drang. Das war ein wichtiger Grund, warum
ich damit angefangen habe. Es war die Wärme, die Glut. Ich
liebe dieses Wärmegefühl. Man kann im Winter im T-Shirt raus-
gehen und friert nicht so. Ich mag Kälte nicht, und wenn es mir
schlecht geht, ist mir immer sehr kalt.
Wie kalt ist Ihnen in letzter Zeit?
Mich fröstelt die ganze Zeit (…) Es ist diese Kälte – ganz egal,
wie dick ich mich anziehe, ich höre nicht auf zu frösteln. Wenn
die Kälte bis in die Knochen dringt, die Art von Kälte. Nichts
kann mich erwärmen. Ich nehme ein heißes Bad, steige aus der
Wanne und fröstele schon wieder. Auch, während ich hier sitze
(…) Ich bin einfach innerlich ausgekühlt.
1
Anmerkung der Redaktion: Siehe dazu: Houghton / Halahan; Lac Humanum –
Die homöopathische Prüfung, K.J. Müller Verlag (Hrg.), erhältlich auch bei www.
narayana-verlag.de. Dort findet sich in Leseprobe 3 bei den Prüfungsergebnissen
der Hinweis auf das Symptom Unordentlichkeit, das verschlimmert: UNORDENT-
LICHKEIT, äußeren Erscheinung, der, agg., NR, **; UNORDNUNG agg., NR, ***;
UNZUFRIEDEN mit sich selbst, 163.